Rundbrief 
Migration und AIDS

Nummer 3 - 2000

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Alarmierende Tuberkulosefälle

Neue resistente Tuberkulosetypen sorgen für Aufregung. Ein zwar nur geringer aber trotzdem besorgniserregender Prozentsatz von Menschen weltweit leidet an einem gegen herkömmliche Medikamente resistenten Tuberkulosetyp. Forschern der WHO zufolge muss dieser mit stärken und teureren Medikamenten bekämpft werden, wenn man einer Krise im Gesundheitsbereich vorbeugen will, die mit der durch  AIDS ausgelösten vergleichbar wäre. Dr. Marcos Espinal, Leiter einer in der medizinischen Fachzeitschrift „Wednesday´s Journal of the American Medical Association“ veröffentlichten Studie sagte: „Wenn wir die Länder nicht darin bestärken, TBC effektiv zu behandeln, werden wir es bald mit einer Epidemie zu tun haben.“ TBC ist eine ansteckende Atemwegserkrankung an der pro Jahr schätzungsweise zwei Millionen Menschen sterben. Wenn sie angemessen behandelt wird, ist sie meistens heilbar. In der Studie wurden 6402 TBC-Fälle, die in Kliniken in Rußland, Peru, China, Südkorea und der Dominikanischen Republik in dem Zeitraum von 1994 bis 1996 aufgetreten waren, untersucht. In 5,5 % aller Fälle sprachen die Patienten auf die standardmäßig eingesetzten Medikamente der ersten Wahl nicht an. Die zur Behandlung dieser Patienten geeigneten Medikamente sind weitaus teurer und müssen über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren eingenommen werden, was in einigen finanzschwachen Entwicklungsländern zu potentiellen Zugangsbeschränkungen führen kann.

Resistente, mutierte Typen setzen sich durch und es könnte katastrophale Folgen haben, diese Patienten nicht zu behandeln, insbesondere da bei einer falschen Behandlung noch resistentere TBC-Typen entstehen, so Dr. Espinal, ein Arzt, der in einem Schweizer WHO-Projekt über Infektionskrankheiten mitarbeitet. Schätzungen der WHO zufolge ist bei einer unzureichenden Behandlung mit einer Milliarde Neuinfektionen und 35 Millionen Sterbefällen in den nächsten zwei Jahrzehnten zu rechnen. Der amerikanischen Gesundheitsbehörde „Center for Disease Control and Prevention“ zufolge, meldeten in dem Zeitraum von 1993 bis 1998 45 Bundesstaaten und die Region „District of Columbia“ mindestens einen mehrfach resistenten TBC-Fall. An TBC erkranken zwar gewöhnlich zumeist Menschen in ärmeren Weltregionen bzw. Entwicklungsländern, aber Dr. Espinal wies warnend darauf hin, dass es sich bei TBC um eine Krankheit handele, deren Erreger mit der Luft übertragen werden und die so innerhalb von acht Stunden von Rußland nach New York gelangen könnte.

Ein anderer Forscher stimmt Dr. Espinals Prognose zu und bezeichnete den resistenten TBC-Typ als alarmierend für die öffentliche Gesundheit. Dr. C. Robert Horsburgh von der medizinischen Fakultät der Bostoner Universi-tät verglich das Auftreten der mehrfach resistenten TBC in einem von ihm verfaßten Artikel mit dem Flaschengeist Genie, der aus der Flasche entwichen und nicht mehr einzufangen sei. Espinal sagte, 112 der WHO-Mitgliedsstaaten einschließlich der USA hätten das TBC-Programm, das die Anwendung standardmäßiger TBC-Medikamente der ersten Wahl vorsieht, umgesetzt oder sich bereit erklärt es umzusetzen.  Zweiundzwanzig Länder, in denen 85 % aller TBC-Fälle auftreten, darunter China, Indien, Brasilien und Nigeria, haben ihre Teilnahme zugesagt. Die WHO ruft außerdem dazu auf, die TBC-Bekämpfung zu erweitern und auch Medkamente einzusetzen,  die mindestens 350 mal so teuer sind wie die standardmäßig eingesetzten Medikamenten Isoniazid und Rifampicin, deren Preis zwischen $ 20 und $ 30 liegt. Der indische Gesundheitsminister hat bereits verlauten lassen, dass das Land bei jährlich zwei Millionen Neuinfektionen allein in Indien mit den Kosten, die sich dieses Jahr auf ca. $ 55 Millionen belaufen werden, überfordert sei. Nach Schätzungen der WHO leiden weltweit 16 Millionen Menschen an Tuberkulose, Tendenz steigend. Allein im Jahr 1997 lag die Zahl  der  Neuinfektionen WHO-Mitarbeitern zufolge bei 8 Millio-nen. Der amerikanischen Gesundheitsbehörde zufolge sind 1998 in den USA 18.361 TBC-Fälle gemeldet worden.

Übersetzt von: Rafaela Bielecki-Weyenberg 
Quelle: Martha Irvine, „The Associated Press“, Chicago, 16. Mai 2000 


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

AIDS bereits häufigste Todesursache in Tansania 

Laut den neuesten Daten der US-Regierung ist HIV/AIDS – neben dem verheerenden Einfluss auf die gesamte afrikanische Bevölkerung – in Tansania bereits die Haupttodesursache.

Die Daten stammen aus den Jahren 1992 bis 1998 und zeigen, dass HIV/AIDS sowohl bei tansanischen Männern als auch bei Frauen in drei untersuchten Regionen die Haupttodesursache ist – gefolgt von Tuberkulose, Malaria, Anämie und Diarrhoe. 
Die in der aktuellen Ausgabe des Morbidity and Mortality Weekly Reports publizierten Analysen zeigen weiter, dass Variationen hinsichtlich der Todesursachen geschlechts- und regionalspezifisch sind. HIV/AIDS und Tuberkulose sind beispielsweise die häufigsten Mortalitätsursachen in Dar es Salaam und speziell hoch bei Frauen im Alter zwischen 15 und 29 und bei Männern zwischen 30 und 59. Allgemein ist HIV/AIDS in Tansania Haupttodesursache bei den 15 bis 59jährigen – so der Bericht der Centers of Disease Control and Prevention.

Die Autoren rufen in ihrer Publikation zu effektiveren HIV-Präventionsprogrammen (z.B. Verteilung von Kondomen) – insbesondere in der Region südlich der Sahara – und besseren therapeutischen Möglichkeiten für die Heimpflege der HIV/AIDS-Patienten auf. 
Abschließend wird erneut auf ebenfalls unzureichende oder fehlende Präventions- und Therapieprogramme für Malaria- und Diarrhoe-Patienten hingewiesen. 

Quelle: Morbidity and Mortality Weekly Report; 2000, 49: 416-419 

http://www.medaustria.at – Meldung vom 23.5.2000 


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Gesundheitsversorgung von Migranten ist miserabel 

Sprachbarrieren, Mißtrauen und Fehlinterpretationen belasten das Verhältnis zwischen ausländischen Patienten und deutschen Ärzten. Zu diesem Schluß kommen neue Studien, die der Gesundheitsversorgung von Migranten ein miserables Zeugnis ausstellen. Anders als in Großbritannien oder den Niederlanden, wo sie gesetzlich garantiert sind, gibt es in Deutschland bislang nur wenige professionelle Dolmetscher für das Gesundheitswesen. Weil die Patienten ihre Beschwerden nicht konkretisieren können und sie darüber hinaus die Anweisungen des Arztes vielfach nicht verstehen, sind Fehldiagnosen, Behandlungsirrwege, teure Therapien und „Ärzte-Hopping“ die Folge. Eine Analyse des Gesundheitsministeriums Nordrhein-Westfalen bestätigt, dass überdies Schwangerschafts-, Zahn- und Krebsvorsorge-Untersuchungen von Ausländern nur selten in Anspruch genommen werden. 

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marielouise Beck, forderte die ärztlichen Standesorganisationen zum Umdenken auf. Bislang werden in Deutschland Dolmetscherkosten von den Krankenhäusern nur dann übernommen, wenn vor einer Operation eine ausreichende Aufklärung auf anderem Wege nicht zu gewährleisten ist. Meist ziehen die Ärzte allerdings die Kinder der Patienten oder Putzfrauen zum Übersetzen heran. Dieser Bruch der Schweigepflicht ist nach Meinung von Experten ein unhaltbarer Zustand. Nicht geschulte Dolmetscher würden zudem auch häufig gefährliche Fehler machen oder wichtige Informationen unterschlagen. 

Ein anderes Problem ist der kulturelle Hintergrund der ausländischen Patienten. So haben beispielsweise Türken und Deutsche unterschiedliche Krankheitsvorstellungen. Eine in Deutschland übliche Trennung von Körper und Seele gibt es in anderen Kulturen so nicht. Depressionen werden dann oft als chronische Schmerzzustände erlebt, ärztliche Fehldiagnosen sind die Folge. Festangestellte kulturelle Übersetzer wie beispielsweise in Wien könnten hier viele Mißverständnisse ausräumen. 

Der Spiegel, Veronika Hackenbroch, S. 224, 19.06.2000


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Projekt Migration und AIDS: 
Eine abschließende Analyse der psychosozialen Probleme 
von Migranten mit HIV und AIDS 

Im Zeitraum von Oktober 1998 bis August 2000 wurden die Daten von insgesamt 104 ausländischen Patienten ausgewertet, die innerhalb des Projektes „Migration und AIDS“ beraten wurden. Dabei stammten 54 % aus Afrika, 28 % aus Europa, 12 % aus Asien und 6 % aus Nord- und Südamerika. Insgesamt 44 % waren Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 35 Jahre bei den Männern und 28 Jahre bei den Frauen. Insgesamt 49 % der Patienten hatten eine Aufenthaltserlaubnis, 24 % eine Duldung. Bei 20 % der Betroffenen war der Aufenthaltsstatus ungeklärt, das heißt, sie befanden sich noch im Asylverfahren oder waren ausreisepflichtig ohne Status. Touristen machten insgesamt 6 % aus und 1 % entfiel auf vollzogene Abschiebungen. Kennzeichnend für die soziale Situation der Migranten und Migrantinnen ist, dass bei insgesamt 44 % der Betroffenen der Aufenthalt ungesichert ist. Dieser Personenkreis hat auch nur Anspruch auf eingeschränkte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Entsprechend sieht die Einkommensverteilung bei dieser Pateintengruppe aus: 34 % beziehen Leistungen nach dem AsylbLG, 24 % verfügen über ein eigenes Arbeitseinkommen, 13 % bekommen Unterhalt, 7 % Rente, 6 % Sozialhilfe, 8 % sind Touristen mit ausländischem Einkommen und 8 % haben sonstige Einkünfte. 

Über ein Drittel dieser Patienten lebt also von einem Einkommen, daß um 25 % unter dem regulären Sozialhilfesatz liegt. Damit einher gehen zum Teil extreme finanzielle Notlagen. Das Aufbringen der Fahrkosten zum Klinikum stellt häufig bereits ein Problem dar, wenn die Patienten weit entfernt vom Klinikum wohnen und in der Nähe ihres Wohnortes keine auf HIV spezialisierte Behandlungseinrichtung existiert. Hinzu kommt, dass Patienten mit einer Duldung oder im Asylverfahren ihren Wohnort nicht frei wählen können, da sie einer räumlichen Beschränkung des Aufenthalts unterliegen, solange sie nur geduldet oder im Asylverfahren sind. Für Patienten im Asylverfahren gilt zudem, dass sie nach Quoten ohne eigenes Mitspracherecht auf die verschiedenen Länder verteilt und in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Ausnahmen gelten nur für Ehegatten oder minderjährige Kinder, die grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, dem Wohnsitz des Ehepartners bzw. der Eltern zugewiesen zu werden.

Eine Unterbringung in der Nähe eines Behandlungszentrums ist somit vom Zufall abhängig und für die betroffenen Patienten nicht planbar. Die Fahrtkosten können bei einem finanziellen Budget von ca. 440 DM pro Monat für den Haushaltsvorstand, deshalb leicht zu einer untragbaren finanziellen Belastung werden. Bei der Erstattung der Fahrkosten zum Klinikum gibt es für die Betroffenen bürokratische Hürden zu überwinden. Die Sozialhilfeträger verweigern oft eine Erstattung, weil die Betroffenen ihrer Meinung nach auch von einer anderen Einrichtung in der Nähe behandelt werden könnten. Dies bringt die Patienten in eine sehr prekäre Situation, die sie unter Umständen auch zwingt, ihre HIV-Infektion gegenüber dem Sozialhilfeträger offenzulegen, da sonst kaum die Möglichkeit besteht, daß die Fahrkosten zu einem weit entfernten spezialisierten Behandlungszentrum anerkannt werden. Aber auch wenn die Behörden über die Erkrankung und den spezifischen Behandlungsbedarf informiert sind, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie in jedem Fall bereit sind, den Betroffenen die Fahrkosten zum Klinikum zu erstatten, so dass die Patienten häufig aus finanzieller Not die Behandlung nicht regelmäßig durchführen können und medizinisch nicht angemessen versorgt sind. In einem Bericht in der Frankfurter Rundschau vom 10.08.2000 führt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen AIDS-Hilfe Stefan Etgeton zu dieser Problematik aus, dass die medizinische Versorgung bestimmter Migrantengruppen nur bei akuten Erkrankungen erfolge und zu einem überproportional häufigen Ausbruch von AIDS führe. Weiterhin nähmen Politiker kostenintensive stationäre Behandlungen und den früheren Tod dieser Menschen durch Verweigern der entsprechenden Therapien in Kauf (Das HI-Virus ist wieder auf dem Vormarsch, FR vom 10.08.2000)

Ein weiteres Problem ist, dass dieser Patientengruppe i.d. Regel keine einmaligen Beihilfen (z.B. für Bekleidung) gewährt werden und auch Mehrbedarf für Ernährung von Region zu Region nach unterschiedlichen Kriterien gewährt wird. Verschärfend kommt hinzu, dass gerade diese Patienten einen erhöhten Beratungsbedarf haben, da sie der deutschen Sprache zumeist nicht mächtig sind und mit ausländerrechtlichen Entscheidungen konfrontiert sind, die sie nicht verstehen können. Eine fremdsprachliche Beratung, Informationen in der Sprache der Betroffenen oder eine Dolmetscherbeschaffung waren deshalb in 45 % aller Fälle erforderlich. Da Migranten mit dem deutschen Sozialsystem in der Regel nicht vertraut sind, wissen sie häufig auch nicht, wie sie ihre Interessen vertreten können. Wegen sozialrechtlichen Fragen suchten deshalb 44 % der Patienten unsere Beratung auf. Aufenthaltsrechtliche Probleme hatten 63 % der Patienten. Über 50 % der Patienten waren auf anwaltliche Hilfe angewiesen, so dass von dem schon weit unterhalb des Sozialhilfesatzes angesiedelten Einkommen zusätzlich noch Rechtsanwaltskosten zu zahlen waren. Bei den Betroffenen führte das in einigen Fällen dazu, dass weder eine adäquate medizinische Versorgung, noch eine angemessene, das Immunsystem stabilisierende Versorgung mit Nahrung gewährleistet war. Besonders gravierend war dies in einigen Fällen, in denen die Patienten unmittelbar von der Abschiebung bedroht waren und bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne Aufenthaltstitel waren. Sie erhielten bis zur Entscheidung des Gerichts keinerlei Leistungen mehr, so dass sie zum Überleben auf Beihilfen von AIDS-Hilfen oder kirchlichen Einrichtungen oder die Unterstützung von Freunden und Verwandten angewiesen waren. Eine Gefährdung der Wohnung oder drohende Obdachlosigkeit wurde von den zuständigen Behörden dabei billigend in Kauf genommen. Bezeichnend ist auch, dass nur 7 % der Migranten eine Rente erhielten und nur 24 % ein eigenes Arbeitseinkommen hatten, wobei dabei noch anzumerken ist, dass diese Einkommen häufig durch ergänzende Sozialleistungen aufgestockt werden mußten oder zum Überleben nur reichten, weil Familienangehörige zum Unterhalt beitrugen. Dies hängt damit zusammen, dass Migranten häufig keine Arbeitserlaubnis erhalten oder z.B. Nachrang gegenüber Deutschen oder EU-Mitgliedern haben. 

Was die Wohnsituation der von uns beratenen Migranten anbelangt, so lebten insgesamt 53 % in einer Wohnung, 22 % in Gemeinschaftsunterkünften, 7 % in stationären Einrichtungen, 12 % waren nur vorübergehend untergebracht und 6 % lebten in ungesicherten Wohnverhältnissen. Probleme mit der Wohnsituation führten 15 % der Patienten in die Beratungsstelle. Häufig waren die Wohnverhältnisse unzureichend, die Wohnung für die Anzahl der Personen zu klein oder die Patienten mußten sich in Gemeinschaftsunterkünften mit mehreren Personen ein Zimmer teilen. Teilweise waren sie auch nur vorübergehend bei Verwandten oder Freunden untergebracht oder von Obdachlosigkeit bedroht. Ein besonderes Problem stellt auch die Unterbringung von Patienten mit einer Duldung dar, die wegen ihres Aufenthaltsstatus in der Regel nicht von den Wohnungsämtern in Sozialwohnungen vermittelt werden. Normalerweise werden einkommensschwache Schwangere und Behinderte bei der Vergabe von Sozialwohnungen vorrangig berücksichtigt, bei Patienten mit einer Duldung hingegen berücksichtigen die zuständigen Stellen i.d. R. jedoch nur den Aufenthaltsstatus und nicht die soziale Notlage der Patienten, von wenigen Ausnahmefällen abgesehen. Normalerweise ist die Duldung ein Aufenthaltstitel, der nur für Zeiträume bis zu ca. 6 Monaten erteilt wird, weil davon ausgegangen wird, dass der Betroffene ausreisepflichtig ist und die Bundesrepublik in Kürze verlassen soll. De facto leben Patienten jedoch teilweise bereits mehrere Jahre mit einer Duldung in der Bundesrepublik, weil entweder aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation oder sonstiger Umstände Abschiebehindernisse vorliegen. Diese Patientengruppe hat wegen des Bezugs von Leistungen nach dem AsylbLG und ihres Aufenthaltsstatus weder eine Chance auf dem regulären Wohnungsmarkt, noch wird den Betroffenen eine Sozialwohnung vermittelt. Bei unseren Patienten hat das zur Folge, dass eine Familie mit einer schwerstpflegebedürftigen Tochter im Stadium C 3 in einem Hotel untergebracht ist, ein weiterer Patient lebt in einem Container, schwangere Frauen müssen mit Kindern und mehreren Familienangehörigen in einer Ein-Zimmer-Wohnung oder ein bis zwei Räumen in einer Gemeinschaftsunterkunft auskommen. Es ließen sich noch viele weitere Beispiele für die untragbare Wohnsituation vieler Betroffener anführen. Besonders problematisch ist außerdem, dass die Betroffenen auch langfristig kaum die Möglichkeit haben, einen anderen Aufenthaltsstatus zu bekommen, da dieser an ein sozialhilfeunabhängiges Einkommen gekoppelt ist. Da den Patienten mit einer Duldung jedoch in der Regel keine Arbeitserlaubnis erteilt wird, ist es ihnen nicht möglich, aus eigenen Kräften eine andere Wohn- Einkommens- oder Aufenthaltssituation herbeizuführen.

Diese vielfältigen sozialen Stressfaktoren, Diskriminierung und Probleme mit Partnern, der Familie oder bei der Krankheitsbewältigung stellen psychische Belastungen dar, die 78 % der Betroffenen in der Beratung zum Thema machten.

Festzuhalten bleibt, dass die Ausgrenzung aus dem sozialen System von Migranten mit Duldung oder ungeklärtem Aufenthaltsstatus dauerhaft und institutionell herbeigeführt ist und für die Betroffenen z.T. untragbare Lebensbedingungen mit sich bringt. Die Ausländerpolitik trifft die Ärmsten der Armen und legt darüber hinaus auch noch fest, dass Sozialhilfebezug nach § 46 Abs. 6 AuslG ein Abschiebegrund ist. Das bedeutet, dass die Betroffenen keine Chance zur Integration haben, da die Ausweisungsgründe von den Behörden durch Auflagen teilweise selbst herbeigeführt werden. Für unsere Arbeit in der Beratung hat das zur Folge, dass Ansprüche der Patienten zumeist nur in Zusammenarbeit mit Ärzten, Rechtsanwälten und anderen Hilfseinrichtungen durchgesetzt werden können.

Rafaela Bielecki-Weyenberg, Horst Herkommer
Frankfurt am Main im September 2000 


 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
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